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Auf Hauen und Stechen - studentische Gewalt

Übermut und Streit - Hermann Weinsberg berichtet

Die im 15. und 16. Jahrhundert teilweise mit 12-16 Jahren noch sehr jungen Studenten maßen untereinander ihre Kräfte, wobei sie teilweise über die Stränge schlugen. Hören wir dazu noch einmal Hermann Weinsberg:

"Einst wollten wir zum Scherz miteinander fechten, und jeder hatte ein Schwert oder Rapier in der Hand und stach und schlug spaßeshalber auf den andern ein. Ich stand in meiner Kammer und stach zur Türe hinaus. Wie ich aber die Hand mit meiner Waffe zu weit vor­streckte, stand gerade einer namens Arnold Deus von Deventer vor der Tur, der schlug mir mit einem alten verrosteten Schwert auf die rechte Hand, gleich unter dem Daumen, daß ich mein Messer fallen ließ, und die kleine Wunde blutete sehr.

Ich ließ sie verbinden, aber es wollte nicht so schnell heilen, das Mal blieb mir auf der Hand sehr kenntlich stehen, und wenn das Ritter­schwert nicht stumpf gewesen, sondern scharf oder ein Landsknechtsdegen, so hätt er mir die rechte Hand entweder ganz abgehauen oder den Daumen mit der Hand elähmt. Das kommt von der Schlägerei und dem Geckenspiel"

Es kam aber auch zu ernsten Rivalitäten, die mit der Faust oder gar mit der Waffe austragen wurden:

"In der Cronenburse indes gab es fast ständig Streitig­keiten mit etlichen meiner Mitgesellen, besonders mit einem, genannt Valentin von Lübeck. Der trieb viel Mutwillens an mir, verachtete mich, spottete meiner, fluchte, schlug und stritt sich ständig mit mir. Einmal kam er betrunken in die Burse, sah mich mit andern auf dem Steinweg sitzen, sagte: 'Du Pfef­ferlecker, Unflat, Spitzhut' und so weiter, fluchte und schlug auch nach mir.

Ich war sehr blöde und verzagt, wollte mich nicht mit ihm anlegen. Da ich ihm aber nichts angetan hatte, ... sprachen meine Landsleut und Gesellen mir zu: 'Wehr dich nur frei!' und schimpften über meine Blödheit. Da faßte ich Mut, das Blut ward mir warm, ich ward zornig. Und wie dieser Valentin abermals nach mir schlug, stand ich auf, wehrte mich, warf ihn auf die Erde und hielt ihn fest, schlug ihn aber nicht. Er ver­mochte nur zu fluchen und zu schelten. Darnach ließ ich ihn aufstehen, da fuhr er mir wieder ins Haar. Ich ergriff ihn abermals, warf ihn wieder unter mich und schlug ihm mit der flachen Hand auf die Backen, hielt ihn so fest, daß er sich nicht rühren konnte, und das so lang, bis er mir gelobt hatte stille zu sein und Frie­den zu halten, da ließ ich ihn aufstehen.

Kaum war er aufgestanden, da griff er einen großen Unkelstein, warf mit aller Gewalt nach mir und hätte mich wohl auf der Stelle zu Tode geworfen, aber ich drehte den Kopf und der Stein traf mich nur hinten zwischen den Ohren, so daß mir das Blut herabrann. Als ich das merkte, fiel ich ihn grimmig an, warf ihn zum dritten Mal zu Boden, lag auf seinem Leib, packte ihn an den Ohren und stieß ihn mit dem Kopf auf die Steine, schlug ihn, daß ihm Mund und Nase bluteten und der Kopf ihm hinten anschwoll und blutete. Darnach fragte ich ihn, ob er noch mehr wolle, er sprach: 'Wenn du mich nicht totschlägst, so will ich dich erstechen', und fluchte grausam wie ein Rasender.

Die andern Ge­sellen standen um uns herum, ließen uns gewähren, niemand trennte uns, keiner wollte zuvorkommen, denn etliche hielten's mit dem Valentin, etliche mit mir. Als ich des Spiels kein Ende sah, stand ich auf, lief ins Haus und schloß mich auf meiner Kammer ein, bis die Hitze vorüber war. Ich schickte zum Bart­scherer, ließ mich verbinden und behielt die Narbe am Kopf bis heute. Als der Bursenrektor von dieser Tragödie und Schlacht vernahm und uns zu allen Seiten ver­hört hatte, gab er dem Valentin unrecht und suspen­dierte ihn vom Tische."

Streitigkeiten zwischen mit der Stadtbevölkerung

Es gab aber nicht nur Anomositäten unter den Studenten, sondern auch mit der Stadtbevölkerung. Hermann Keussen hat in seiner Quellensammlung für das 15. Jahrhundert mehrere Belege für solche in Tätlichkeiten ausufernde Rivalitäten publiziert. Besonders unbeliebt war der besondere Gerichtsstand der Studenten, der es ihnen erlaubte, sich in Streitigkeiten mit den Bürger dem städtischen Gericht zu entziehen.

1458 verüben die Faßbinder während einer Prozession Gewalttätigkeiten gegen die Studenten; der Rat befiehlt daraufhin allen Bürgern, Frieden mit den Studenten zu halten.

Im Januar 1489 vermekt der Universitätspedell, daß 13 oder 14 Priesterstudenten durchgehauen worden seien und darauhin wieder nichts geschehen sei. Bei einer Schlägerei auf der Marzellenstraße, wo Bursen der Artistenfakultät lagen, wurden Magister Cornelius Baldwini von Dordrecht und ein weiterer Priester geschlagen, andere auch ernsthaft verletzt. Der Rat ließ nach den Verursachern fahnden, die aber nur zum Teil ergriffen wurden. Einem der Festgenommen wurde deswegen am "Stock" an der Marspforten eine Hand abgeschlagen.

Im gleichen Jahr wird ein Student am Steinweg mit dem Messer bedroht; als er einen Schuhmacher zum Zeugen anruft, schmäht ihn dieser: "Herr Johann von Breyde und Johann Pennynck und andere von unseren Herren haben ihre Kinder zu Studenten und halten den Studenten die Hand über das Haupt und [be]stärken sie in ihren Bübereien. Die Gemeinde sollt's nicht länger leiden."

Im Frühjahr 1468 wird Wolter Lynenwever des Totschlags an Meister Andreas von Breda, Student der Universität, bezichtigt. Und 1495 listet der Rektor eine Reihe von Gewaltaten gegen Magister und Studenten auf, die teilweise mit  dem Bursen in den Bursen zusammenhingen, was die städtische Wirtschaft schädigte.

"Der rauffende Student" (18. Jahrhundert)

Der "rauffende" Student, der im 18. Jahrhundert als "Mann von Stand" einen Degen trug, sorgte auch in Köln für Unruhe.
Im 20. Jahrhundert fochten vorrangig die nicht-konfessionellen Verbindungen Mensuren auf Degen oder - verbotenerweise - auf schweren Säbel. Der "Spieß" gehörte natürlich auch zum Oufit eines Verbindungsstudenten.

Eine "schlagende" Kölner Verbindung: Das Corps Rheno-Franconia

Mensurtag des Corps im Sommer 1926. Oben in der Mitte die beiden Kontrahenten. Die "Füxe" (Anwärter) mußten eine Reihe "genügender" Mensuren fechten, um als "Burschen" aufgenommen zu werden (UA Köln, Zug. 614-24 Bild 6).

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Das Corps Rheno-Franconia, 1902 als "Stenographischer Verein nach Stolze-Schrey" an der Kölner Handelshochschule gegründet, trat seit 1905 als Verbindung, seit Ende des SS 1908 als "freischlagende Verbindung Rheno-Franconia".

Da die Handelshochschulen von den Universitäten nicht als gleichrangig betrachtet wurden, schloss man sich von SS 1914 bis zu dessen Auflösung 23.4. 1922 dem Lichtenfelser Chargierten-Convent an, der Verbindungen an Handelshochschulen umfaßte. Am 10. 5.1923 beantragte man die Aufnahme in den Rudolstädter Senioren-Convent, in den die Rheno-Franconia zum 1. 2.1924 aufgenommen wurde.

Ihre als Band getragenen Farben waren Schwarz-Gold-Hellgrün, die Fuxenfarben grün-schwarz-grün. Die Mützen waren hellgrün. Das Corps wurde 1936 unter dem Nationalsozialismus aufgelöst und nach dem Zweiten Weltkrieg nicht wieder neu gegründet, sondern fusionierte 1951 nach Aufhebung des Verbots der Wiederbegründung von Verbindungen wie das Kölner Corps Guestphalia mit der Holsatia zum Corps Franco-Guestphalia zu Köln. Der in den Verbindungen geppflegte "Komment" und der übersteigerte Ehrbegriff hatte auch unliebsame Auswirkungen im Alltag:

Im Juni 1932 rempelt der Student Robert Kirchesch auf der Severinstraße versehentlich einen anderen Studenten an, der dies als Provokation deutet und Satisfaktion verlangt, die Kirchesch wegen des Verbots von Mensuren verweigert. Daraufhin wird der Student Hellberg handgreiflich. In der Vernehmung durch Universitätsrat Graven gibt er später an, mit zwei Bekannten im Weinhaus Brungs in der Altstadt sechs Flaschen Wein als Wettschulden geleert zu haben und entsprechend angetrunken gewesen zu sein.

Fechten als Sport

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Bild: UA Köln, Zug. 624/37

Die Handelshochschule und seit 1919 die Universität versuchten das studentische Fechten dadurch zu kanalisieren, daß im 1907 bezogenen Bau an der Claudiusstraße im Dachgeschoß ein Fechtsaal hergerichtet wurde. Zwar beantragte das Corps Guestphalia zu Köln nach Beginn der Bauarbeiten für den Universitätsneubau in Lindenthal beim Rektor, dort wieder einen Fechtsaal einzurichten. Der Antrag wurde jedoch - wahrscheinlich wegen der Finanzprobleme in Gefolge der Weltwirtschaftkrise seit 1931 - letztlich nicht realisiert.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Fechten im Angebot des Akademischen Sportamtes weitergepflegt: noch bis in die 1970er Jahre gab es einen (nebenamtlichen) "Universitätsfechtlehrer"!