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Von der Coniuratio zur Körperschaft: Zu den Universitätsgründungen 1388 und 1919

Mittelalterliche Universitätsgründungen in Europa

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Aus: F. W. Putzgers Historischer Schulatlas - Große Ausgabe. 46. Auflage. Bielefeld/Leipzig 1925, S. 72.

Die ersten Universitäten in Oxford, Paris, Montpellier oder Bologna waren freie Zusammenschlüsse. Um die Lehrenden sammelten sich schüler, und alle bildeten zusammen die universitas magistrorum et scholarium (Gemeinschaft der Lehrenden und Studierenden). Sie verstanden sich als zunftähnlicher Personenverband und gaben sich selbst Satzungen gaben, die Neuankömmlinge zu beschwören hatten.

Dies stieß bei den kirchlichen Autoritäten auf Mißfallen: So schalt 1221 Papst Honorius III. die Pariser Magister und Scholaren, daß sie beeidete Satzungen beschlossen hätten und immer noch beschlössen, in denen sie auch Strafen für deren Nichteinhaltung festsetzten. Überdies bedienten sich die Pariser Magister auch eines jüngst angefertigten Siegels! Aus Sicht der Lehrer und Studenten war die solcherart "verschworene" Gemeinschaft eine Schwurgemeinschaft. Aus Sicht der Kirchenoberen dagegen bildeten sie eine Verschwörung. Das lateinische coniuratio kann beides meinen. 

Spätestens seit 1303, als erstmal die Universität Rom ein Privileg erhielt, beanspruchten die Päpste die Aufsicht über das Bildungswesen kraft ihres Amtes. In diesem Rahmen ist auch die Bitte der Kölner Stadtgemeinde um eine päpstliche Genehmigung für ihre Universitätspläne zu sehen:

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Die Kölner Bürgerschaft erbittet vom Papst ein Gründungsprivileg

Nachdem es bereits seit 1248 in Köln Studienhäuser der Bettelorden gab, entstand die erste Universität im Rheinland erst 140 Jahre später:

Am Kölner Fall hat Anna Dorothee von den Brincken durch Vergleich mit den Formularen anderer päpstlicher Privilegien die Kölner Universitätsgründung in den Kontext der ersten Gründungswelle von Universitäten zwischen 1303 und 1398 eingeordnet.  Damals hatte sich die Situation gegenüber dem 12. Jahrhundert grundlegend geändert: Seit 1303 die Universität Rom eine päpstliches Privileg erhielt, beanspruchten die Päpste die Aufsicht über das Bildungswesen kraft ihres Amtes. In Paris und Bologna hatten sich um 1100 noch freie, zünftig angelegte Personalverbände („universitates“) von Lehrenden und Lernenden gebildet hatten, die erst später durch das Papsttum und weltliche Herrschern privilegiert wurden.

Zudem befinden wir uns im Jahr 1388 mitten in der Kirchenspaltung, in der ein römischer und ein avignonesischer Papst um die Kirchenleitung stritten. Mit dem Kölner Rat erbittert erstmals eine städtische Obrigkeit, die sich vom Erzbischof als geistlichen Stadtherrn emanzipiert hatte, vom römischen Papst ein Universitätsprivileg. Am 21. Mai 1388 bewilligt Urban VI. in Perugia dem Rat, den Bürgermeistern und Schöffen der Stadt Köln die Gründung eines studium generale mit allen erlaubten Fakultäten nach Pariser Vorbild.

Hervorgehoben werden Kanonisches Recht und Theologie; nicht eigens erwähnt wird von Urban VI. dagegen die Artistenfakultät.Enthalten ist nunmehr auch das "ius ubique docendi", d.h. das Recht der statutenmäßig Geprüften und Graduierten, an allen anderen Universitäten ebenfalls lehren zu dürfen, wie dies 1255 Papst Alexander IV. der Universittä Salamanca noch eigens verliehen hatte. Der 21. Mai ist nach dem Zweiten Weltkrieg Anlaß für die jährliche Gründungsfeier der Universität zu Köln gewesen - nicht die ebenfalls im Mai 1919 erfolgte Unterzeichnung des Staatsvertrages zwischen Preußen und der Stadt Köln, der die Wiederbegründung 1919 bewirkte ...

Die Verlesung der Gründungsbulle erfolgte im Dezember 1388 im Rat, verbunden mit dem Stiftungsakt, der die materielle Ausstattung garantierte. Der Kölner Rat übernahm bis in das 16. Jahrhundert die Besoldung mehrerer Professuren, for allem jursitischer und artistischer, aus dem Stadtsäckel. Allerdings nahm das finanzielle Engagement vom Ende des 16. Jahrhunderts bis in das 18. Jahrhundert tendenziell eher ab, von einzelnen Phasen verstärkten Engagements abgesehen. Erwähnt sei die Einrichtung einer Griechisch-Professur im 16. Jahrhundert, die aber nach wenigen Jahrzehnten wieder einging.Das Gros der Professuren, die dem geistlichen Stand angehörten, war durch die Pfründen an den stadtkölnischen Stiftern und Pfarreien abgesichert. Schon am 6. Januar 1389 konnte der Vorlesungsbetrieb aufgenommen werden. Daß es in Köln von Anfang an gut lief, verdankte die Hochschule den "public relations" des Kölner Rates, der etwa der Stadt Hamburg am 30. Januar 1389 die Eröffnung der Universität mitteilte und zu deren Besuch einlud.

Während es in Köln „glatt“ lief, hatte sechzig Jahre später die Universität Trier erhebliche Startprobleme. Möglicher Anlaß für das am Beginn der „zweiten Gründungswelle“ stehende Trierer Gründungsprivileg war nach Michael Matheus das Heilige Jahr 1450. Allerdings wäre es Trier fest ebenso wie dem badischen Pforzheim ergangen, das ungeachtet des päpstlichen Privilegs nie die Universität gründete: Dem Trierer Erzbischof fehlten die Mittel für die Bestiftung der Trierer Universität. 1473 kaufte deswegen die Stadt Trier das Gründungsprivileg ab, wobei die Motivation für den Erwerb eine Stärkung der städtischen Selbstständigkeit gegenüber dem erzbischöflichen Landesherren gewesen sein dürfte. Interessierte Kreise, etwa der Erfurter Magister Johannes Leyendecker, beförderten die noch im gleichen Jahr erfolgte Stiftung, die am 16. März 1473 eröffnet wurde.

Der Kölner Magister Nikolaus Momer von Raemsdonck, dessen Burse sich in der Konkurrenz gegen die großen Kollegien um die Scholaren in Köln nicht hatte behaupten konnte, zog 1473 schmollend aus Köln ab und führte mit seinen Bursalen der jungen Trierer Hochschule gleich die ersten Studierenden zu.

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Die Gründungsurkunde vom 21. Mai 1388

Ein Faksimile des Gründungsprivlegs können Sie hier herunterladen (pdf). Bitte klicken Sie dazu auf das Bild!

Eine freie deutsche Übersetzung des Urkundentextes können Sie hier herunterladen (pdf).

Veröffentlicht in: Anna Dorothee von den Brincken, "In supreme dignitatis". Zur Gründungsurkunde Papst Urbans VI. vom 21. Mai 1388. in: Geschichte in Köln 23 (Juni 1988), S. 9-36. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung von Frau Prof. Dr. von den Brincken.

 

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Interim 1798-1919

Nach der Schließung der Universität durch die französische Besatzung 1798 verblieb in Köln nur "Ecole centrale en université". Auch unter der 1814 beginnenden preußischen Herrschaft im Rheinland änderte sich nichts:  Aufgrund der 1818 im benachbarten Bonn eröffneten Provinzialuniversität verweigerten die Berliner Instanzen trotz eingehender Bemühungen aus Köln - erwähnt seien der Bürgermeister Ebehard von Groote und Ferdinand Franz Wallraf - der Stadt die Wiederbegründung der Universität.

Auf der Grundlage einer privaten Stiftung des Handelskammerpräsidenten Gustav (von) Mevissen eröfnete die Stadt Köln am 1. Mai 1901 mit Genehmigung des Handelsministerium eine Fachhochschule: die "Städtische Handelshochschule Köln", zu der 1912 die "Hochschule für kommunale und soziale Verwaltung" trat. Beide Hochschulen konnten zwar Diplom-, aber keine Doktorgrade verleihen; sehr wohl besaßen beide Hochschulen hingegen das Habilitationsrecht.

Vor dem Hintergrund der Umwandlung der gleichartigen Frankfurter Hochschuleinrichtungen zur Universität 1914 intensivierte Studiendirektor Christian Eckert seit 1913 durch zwei Denkschriften die Bemühungen um eine Weiterentwicklung Kölns in die gleiche Richtung. Es dauerte aber bis zum politischen Umsturz im November 1918, daß die Kölner Bemühungen von Erfolg gekrönt wurden. mitten in den politischen Unruhen in Berlin genhemigte die Staatsregierung in der Sitzung vom 4. Januar 1919 die Gründung einer "neuartigen Universität" in Köln.

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Die preußische Landesuniversität 1919

Gegenüber den mittelalterlichen Universitätsgründungen hatten sich die Verhältnisse seit dem 15. Jahrhundert grundlegend gewandelt: Schon vor Köln waren Universitätsgründungen auf Initiative der Landesherrschaften erfolgt; seit dem 15. Jahrhundert übten die Territorialherren aber direkt oder indirekt Einfluß auf ihre Landesuniversitäten aus, die ihnen Gesitliche, Ärzte und Juristen ausbilden sollten. Preußen, zum dem Köln seit 1814 gehörte, hatte 1794 im Allgemeinen Landrecht (ALR) eine für alle Landesuniversitäten (die mehrheitlich schon vor ihrem Anfall an Preußen gegründet worden waren) eine gemeinsame gesetzliche Grundlage geschaffen. So bestimmt das ALR im II. Teil, 12. Titel: 

"Schulen und Universitäten sind Veranstaltungen des Staats, welche den Unterricht der Jugend in nützlichen Kenntnissen und Wissenschaften zur Absicht haben. Dergleichen Anstalten sollen nur mit Vorwissen und Genehmigung des Staats errichtet werden."

Der § 67 f. bestimmten ferner:

"Universitäten haben alle Rechte privilegirter Corporationen. Die innere Verfassung derselben, die Rechte des academischen Senats, und seines jedesmaligen Vorstehers, in Besorgung und Verwaltung der gemeinschaftlichen Angelegenheiten, sind durch Privilegien, und die vom Staate genehmigte Statuten einer jeden Universität bestimmt."

Entsprechend beschloß anstelle des durch die Revolution beseitigten Monarchen, dem preußischen König Wilhelm II. das Gesamtkabinett am 4. Januar 1919, für Köln die Gründung einer "neuartigen Universität" unter Zusammenfassung der vorhandenen Hochschuleinrichtungen zu genehmigen.

Der Vertrag zwischen der Stadt Köln, die sich zur Übernahme aller Sach- und Baukosten bereiterklärt hatte, und dem Land Preußen wurde am 27. Mai vom Kultusminister und am 29. Mai 1919 von Oberbürgermeister Adenauer unterzeichnet. Am 12. Juni 1919 unterzeichnete Kultusminister Haenisch dann namens der Staatsregierung die der Universität verliehene "Satzung der Universität zu[!] Cöln a.Rh." 

Eine Druckfassung der Satzung können Sie hier herunterladen (pdf).

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