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Kölner, Cliquen, und Chargierte: Das Kölner Fernsprechbuch von 1943

Kein Gebäude, aber doch ein Erinnerungsort, ist ein trotz seines roten Einbands eher unscheinbares Zeugnis aus dem Universitätsarchiv: Das Kölner Fernsprechbuch von 1943. Es wurde am 20.08.1970 mit der Inventarnummer „1970/89“ aus den Beständen des bis 1945 bestehenden „Museums für Handel und Industrie/Schau Westdeutscher Wirtschaft“ der Universität in die Bibliothek des Archivs eingegliedert. Heute ist es wieder Teil des Bestandes „Zugang 8 – Museum für Handel und Industrie“.

Der Fernsprecher hielt schon früh Einzug in die Kölner Hochschulen: Die 1910 erlassenen "Grundzüge für eine (vereinfachte) Geschäftsordnung der Regierungen" schrieben den nachgeordneten Verwaltungen vor, "die modernen Verkehrsmittel, insbesondere Telephoneinrichtungen, in erhöhtem Maße auszunutzen." An der Formulierung der "Grundzüge" hatte als Mitglied der Immediatkommission für die Verwaltungsreform der Studiendirektor der Handelshochschule und erste Rektor der Universität, Christian Eckert, mitgewirkt.

So wie ihn finden wir 1943 auch andere Hochschulangehörige im Telefonbuch: den Rektor, Friedrich Bering neben dem Oberbürgermeister und „Kurator der Universität“ Pg. Peter Winkelnkemper, aber auch Professoren wie den Rektor des Jahres 1933, Ernst Leupold, oder den Völkerrechtler Hermann Jahrreiß, 1945 Verteidiger von Alfred Jodl im Nürnberger Kriegsverbrecherprozess. Unter den Parteieinrichtungen der Gauhauptstadt Köln finden sich auch Anschlüsse von NS-Studentenbund und –Dozentenbund.

Es fehlen 1943 die jüdischen Professoren, wie z.B. der Mathematiker Hans Ludwig Hamburger, der im August 1939, zwei Wochen vor Kriegsausbruch, ins englische Exil ging. Unter den Fernsprechteilnehmern finden sich auch frühere Studierende der Universität wie die als BDM-Führerin wirkende Dr. med. Wilma Hoff, die im Juli 1943 bei einem Luftangriff auf Köln ums Leben kam, oder der Wirtschaftswissenschaftler Dr. rer. pol. Josef Schreckenberg, dem die Universität den Doktorgrad 1936 entzog.

Letztmals war im März 1941 ein Amtliches Fernsprechverzeichnis für Köln erschienen. Erst am 16.10.1942 forderte der Beigeordnete Evertz die Stadtverwaltung auf, den Telefonbucheintrag der Stadt Köln zu überprüfen, umfangreiche Änderungen aber aus Kostengründen zu vermeiden. Eine entsprechende Aufforderung erging durch das Fernsprechamt an die Universität. Nach den Akten reichte das Universitätskuratorium, das in vielen anderen Angelegenheiten wie eine städtische Dienststelle behandelt wurde, am 10. November einen neuen Schriftsatz für den Eintrag "Universität" und in einem Nachtrag eine längere Liste von Verweisungen – von "Akademische Auslandsstelle" bis "Zeitungswissenschaftliches Institut" - ein, in denen z.B. anstelle des 1942 verstorbenen Geschäftsführenden Kurators Faßl, der für Hans Hamburgers Entlassung verantwortlich gezeichnet hatte, durch seinen Nachfolger Julius Ludwig ersetzt wurde. Das neue Fernsprechverzeichnis wurde Mitte April 1943 ausgeliefert, wobei die Stadtverwaltung der Universität die Abgabe einer gleichen Zahl von alten Büchern von 1941 zur Pflicht machte.