Von Grünschnäbeln und Erstsemestern: Wie wird man Student?
"Wie war zu Köln es doch vordem ..."
"... für Grünschnäbel gar unbequem ..."
Vor der Immatrikulation stand für Neuankömmlinge die sogenannte "Deposition". Der Kölner Hermann Weinsberg berichtet hierüber:
"Wenn ein neuer Student ankommt, den nennt man Beanum [Grünschnabel], stößt ihm die Hörner und das Grobe ab, was so viel bedeuten soll, daß man nun die rauhen groben Sitten zu verlassen und zierliche Sitten anzunehmen habe."
Der "Koelhoffsche Chronik" von 1499 ist zu entnehmen, daß die Kölner Studenten die "Grünschnäbel" (auch Bacchanten) damit zu "vexieren" (aufzuziehen) pflegten, daß man ihnen das "Grab des Aristoteles" zeigte, wo die Neuankömmlinge (wie den Heiligen) Wachskerzen opfern mußten - das war ein durchaus teures Vergüngen. Auch ließ man sie die Namen "Marsilius" und "Aristoteles" aussprechen - und wehe, wenn dies den Neuankömmlingen nicht glatt über die Lippen ging ...Zum Beweis der neuangenommene "zierlichen Sitten" mußten die neuen Studenten ihren älteren Kommilitonen Mahl und Umtrunk bezahlen.
Die Deposititon als Inititiationsritus blieb bis ins 18. Jahrhundert erhalten. Da damals die vormaligen Bursen schon zu Gymnasien umgewandelt waren, markierte bereits die Versetzung der Schüler in die Klasse der Logica den Übertritt in die Artesfakultät und damit in die Universität. Zu diesem Zeitpunkt wurden sie in die Universitätsmatrikel "inscribiert". Die Depositionsriten entfielen, nicht jedoch die Geldzahlung - hierüber wurde den Beanen ein Zeugnis von den Magistern ausgestellt.
Die Immatrikulation
Mitglied der Universität wurde man aber erst mit der Einschreibung in die Matrikel. Den ersten Band der Matrikeledition des Kölner Stadtarchivars Hermann Keussen für die Jahre 1389 bis 1461 können Sie als Digitalisat hier einsehen. Hermann Weinsberg berichtet in seinem "Gedenkboich" hierüber recht wortreich:
"Kurz darnach bin ich unter dem ehrwürdigen hochgelehrten Herrn Bernhard Georgii [von Paderborn], Official, der Rechten Doctor, Dechant zu St. Kunibert und zu Mariengraden, Rektor der Universität in Köln [27.6.-19.12.1534], intituliert und in matriculam universitatis eingeschrieben und also Mitglied oder suppositum worden, so daß ich alle Privilegien der Universität genießen konnte."
Zugleich mußte der neue Student - Frauen waren nicht zugelassen - dem Rektor Gehorsam und die Befolgung der Statuten beschwören. Für die einschreibung vereinnahmten die Pedelle eine Gebühr, die teils dem Rektor, teils der Universitätskasse zufiel. Entsprechend lautet der Vermerk in der Matrikelrelgemäßig "iuravit et solvit" - er hat beschworen und bezahlt. Die Eidesleistung setzte das kanonische Mindestalter von 14 Jahren oder einen Eideshelfer voraus. Von den statutenmäßigen Gebühren konnte wegen nachgewiesener Bedürftigkeit abgesehen werden.
Weinsberg fährt fort:
"Um die Zeit und auch noch eine Zeit hernach war meine Kleidung also: ich hatte zwei lange Röcke mit langen Armeln, unten mit Fransen; der eine war eselsgrau, aus einern Rocke meines Vaters gemacht, der ander war schwarz, beide ungefüttert; ich trug einen wollenen Paltrock, blutfarben, lohbraun oder schwarz, ein ledern Wams, schwarze, lohfarbene oder aschgraue Hosen, das Bonnet war ein Schlafmützchen, unten mit hangenden Ohren.
Im Jahre 1535 zur Fastenzeit hat mich der ehrwürdige Herr Quirinus von Kempen, Bischof zu Kyrene und Weihbischof zu Köln, in seinem Hause auf der Maximinenstraße geweiht und mir primam tonsuram gegeben und mir darüber einen gesiegelten Schein erteilt. Einer unsrer Präbendaten aus der Cronenburse, Cornelius Bars, war mein Anführer, der mich unterwies, wie ich mich zu benehmen hätte, und ich mußte von da an alle Tag den Psalm »Miserere mei deus« [Ps. 50 nach Zählung der Vulgata] etc. beten und so hab ich's bis zu meiner Heirat gehalten und auch später noch oft. Die Weihung geschah aber, weil mir vielleicht ein Beneficium zufallen könne und ich dazu qualifiziert sein mußte. Mein Vater hatte wohl Lust mich geistlich werden zu lassen, aber das Glück wollte mir keine Präbende bescheren, und es wäre meinen Eltern auch schwergefallen das Geld dafür aufzubringen. Sonst wäre ich für meine Person ganz gerne geistlich geworden."
Zugangsbarriere Reifezeugnis
Der Zugang zur mittelalterlichen Universität war nicht an eine formale Zugangberechtigung geknüpft. Die sogenannte "Humboldt'sche" Universität setzte hingegen ein formelles Reifezeugnis eines Gymnasiums oder einer Oberrealschule voraus. Die wesentlich auf der Handelshochschule aufbauende Kölner Universität ermöglichte bis Mitte der 1920er Jahre auch ein Studium mit "kleiner Matrikel" und die Zulassung zum Studium mit Aufnahmeprüfung - auch dies Teil des Konzepts der "neuartigen Universität.
Seher Sie sich hier das Reifezeugnis (pdf-Datei) des Leichtathleten Gustav Weinkötz an, der an der Universität Köln als "Turnphilologe" studiert hat und für den ASV Köln bei den Deutschen Meisterschaften startete.
Einer der ersten Kölner Studenten 1919
1946: Das Kriegsabitur ist nichts mehr wert
Am 10. Dezember 1945 wurde die Kölner Universität als eine der ersten in der britisch besetzten Zone wiedereröffnet. Der Andrang war groß, doch wurden zum WS 1945/46 nur 1.500 Studierende zugelassen. 250 Studienplätze davon waren von der Besatzungsbehörde für ehemalige Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter reserviert worden. Ansonsten gab es Zulassungsbestimmungen, die grundsätzlich bestimmte Gruppen vom Studium ausschlossen, etwa höhere Parteifuntionäre des "Dritten Reiches" (UA Köln, Zugang 487-1).
Einen Studienplatz im ersten Anlauf zu bekommen, war also ähnlich wie "sechs Richtige" im Lotto. Einer der Glücklichen war Willi Bamberger, dessen Zulassungsbescheid Nr. 4 heute im universitätsarchiv verwahrt wird (Zugang 487-1). Der Mediziner Helmut Jansen berichtet über seine Rückkehr an die Kölner Universität:
"Am 12.Mai 1946 kehrte ich nachts um halb zwölf Uhr aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft zurück. Zwei Tage später saß ich wieder auf der Schulbank. Der II. Förderkursus für Kriegsteilnehmer" an der Goethe-Oberschule für Jungen in Bochum hatte schon im Januar 1946 begonnen, und es galt, das versäumte Pensum aufzuholen. Wohl hatte ich in der Zeit zwischen Reichsarbeitsdienst und Einberufung zur Wehrmacht mit siebzehn Jahren ein Sommersemester Medizin 1944 in Köln studieren können. Aber das Notabitur von 1944 berechtigte nach dem Kriege nicht mehr zum Hochschulstudium. Am 10. September 1946 bestand ich das Abitur, inzwischen zwanzig Jahre alt. Die letzten drei Jahre waren angefüllt von der meinem Jahrgang eigenen Folge: Luftwaffenhelfer, Reichsarbeitsdient, Frontsoldat und Kriegsgefangenschaft." (UA Köln, Zug. 488-1)