Ein Forschungsprojekt zum Kölner Schreinswesen (1932-1937)
Köln besitzt eines der ältesten Grundbuchsysteme in Europa: die Schreinskarten und –bücher (von lat. scrinium, dem Behälter, in dem die Unterlagen aufbewahrt wurden).
Nach den Forschungen von Manfred Groten an der frühen Überlieferung des Schreins St. Laurenz entwickelten sich die Schreinsaufzeichnungen aus den Bürgerlisten der Kölner Sondergemeinden bzw. Kirchspiele. Die Amtleute der Sondergemeinden bezeugten – zunächst in Einzelfällen – schriftlich Grundstücksgeschäfte (Verkäufe, Verpachtungen) und Reallasten, ohne daß jedoch bei der Eintragung zwischen Real- und Personalf.ien unterschieden wurde. Die Herkunft aus der Bürgerliste führte in der Anfangszeit dazu, daß die Schreinskarten großformatige Tierhäute waren.
Bis etwa 1138 amteten die Sondergemeinden aus eigenem Recht, dann ist für einige Jahre ein stärkerer Einfluß des nach Köln zurückgekehrten Erzbischofs durch die Anwesenheit seiner Untervögte spürbar. Zu dieser Zeit f.gen auch weitere Sondergemeinden mit der Einführung von Schreinskarten bzw. Büchern: Neben den Schreinen der Sondergemeinden/Kirchspiele Martin, Brigiden, Albanm, Laurenz, Peter, Columba, Aposteln, Niederich und Airsbach entstehen in der F.ge auch Schreine der erzbischöflichen Vogteigerichte Gereon, Eigelstein und, Hacht. Auch einige Genossenschaften (Unterlan, Dilles und Mühlenschrein) beganne sich der „Anschreinung" genannten Grundbuchführung anzunehmen.
Von besonderer Bedeutung ist der „Schöffenschrein" (scabinorum) des gesamtstädtischen Schöffenkollegiums, der neben den Kirchspielsschreinen fungierte. Den Kirchspielen blieb seit 1396 bis zum Ende der reichsstädtischen Zeit als letzter Rest ihres einstmals bedeutenderen Wirkungskreises alleine das Schreinswesen, nachdem der Rat der Stadt den Kirchspielen ihre Gerichtfunktion entzogen hatte. Das am besten erhaltene Amtleute-Archiv der Sondergemeinden ist das des Schreinbezirks Columba.
Die wissenschaftliche Erforschung des kölnischen Schreinswesens beginnt 1884 mit Robert Hoeniger, der seine zweibändige Edition der ältesten Schreinsurkunden des 12. Jahrhundert als erster Band der „Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde" vorgelegt.
Im Dezember 1932 stellte Planitz beim Kuratorium unter dessen Geschäftsführenden Vorsitzenden Prof. Dr. Christian Eckert – selber profilierter Rechtshistoriker – einen Antrag auf Unterstützung des von ihm geplanten Projekts der rechtshistorischen Erforschung der Kölner Schreinsüberlieferung, zunächst für die Zeit von 1200 bis 1500. Als erster Schritt war die Exzerpierung der Schreinsbücher im Historischen Archiv der Stadt durch die Historikerin Dr. phil. Thea Buyken geplant, die Planitz durch den Mediävisten Prof. Dr. Gerhard Kallen empfohlen worden war. Eine Anschubfinanzierung war durch die Rechtswissenschaftliche Fakultät und die von dieser verwalteten Stiftung Reich gewährt worden.
Angesichts der Menge der Überlieferung – mehr als 500 Schreinsbücher vom 13. Jahrhundert bis zum Ende der reichsstädtischen Zeit 1794 konzentrierten sich Planitz und Buyken auf das 13. Und 14. Jahrhundert und schlossen damit an die Edition von Hoeniger an. Das Projekt beeinflußte schon im Sommersemester 1933 die Lehre von Planitz, als die kölnische Verfassung und das Schreinswesen Thema seines Seminars wurden. Aus dem Seminar gingen einige Dissertationen und die Habilitationsschrift des Assistenten Dr. Hermann Conrad (1904–1972), später Professor für Rechtsgeschichte an der Universität Bonn, hervor.
Aufgrund der raschen Fortschritte konnte Planitz bereits 1934 zwei größere Aufsätze zum Schreinswesen veröffentlichen. Im gleichen Jahr publizierte er ausgewählte Schreinsbucheinträge, Urkunden aus dem Amtleute-Archiv der Sondergemeinde Columba und die Schreinsordnung von 1473 als „Urkunden zur Kölnischen Rechtsgeschichte". Diese erschienen als „Festgabe" zur Tagung der deutschen Rechtshistoriker in Köln vom 15.-17. Oktober 1934.
Gleichwohl blieb die Finanzlage und damit die Stelle Thea Buykens prekär. Bis März 1936 flossen insgesamt 2.800 RM, größtenteils für die Personalkosten der Projektmitarbeiterin, in das Projekt. Zum Abschluß der Arbeiten bewilligte das Kuratorium 1936 letztmals 500 RM. Der letzte Hinweis auf das Schreinsbuch-Projekt vor dem Wechsel von Hans Planitz auf den Wiener Lehrstuhl ist ein Dankschreiben von Wilhelm Ewald als Direktor des „Hauses der Rheinischen Geschichte" (heute Kölnisches Stadtmuseum) von 1941 für die geschenkweise Überlassung der Edition in den „Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde".
Im Sommer 2003 gelangten nach Auflösung des Seminars für Deutsches Recht die erhaltenen Altakten in das Universitätsarchiv; sie werden hier als „Zugang 594" verwahrt. Den Sachakten f.gten im Juli 2012 zwanzig Kartons mit den maschinenschriftlichen Abschriften aus den Schreinsbüchern des Historischen Archivs der Stadt. Der zweite Bestand wurde im Universitätsarchiv als „Zugang 770" akzessioniert und durch Universitätsarchivar Dr. Andreas Freitäger geordnet und verzeichnet.
Die Abschriften liegen in zwei Serien vor: einmal (1) in der F.ge der Signaturen der Schreinsbücher im Historischen Archiv der Stadt Köln (heute Bestand 101) und zweitens (2) in der zeitlichen Gleiderung „vor 1250", „1251-1275", „1296-1300". In beiden Fällen dürften nicht die kompletten Schreinsbücher durch Dr. Thea Buyken transkribiert worden sein, sondern nur Teile. Im Falle der zweiten Serie ist auch nicht klar, ob der Zeitraum von 1276 bis 1295 nicht berücksichtigt wurde, oder ob hier Verluste eingetreten sind. Inwieweit beide Serien inhaltlich deckungsgleich sind, oder ob in der Serie (1) mehr Material transkribiert wurde, das nicht unbedingt in die Publikation der Schreinsbücher 1937 Eingang fand.
Von der Serie (2) existieren eine Reihe von Dubletten („2. Durchschlag"), allerdings nicht von allen Heften. Diese wurden als Leihgabe dem Institut für Rheinische und deutsche Rechsgeschichte überlassen.