Das "China-Forschungsinstitut Boerschmann"
Von 1902 bis 1904 war der Architekt und Bauingenieur Ernst Boerschmann als Bauinspektor zur Ostasiatischen Besatzungsbrigade nach China kommandiert. Im Jahre 1906 begann er mit finanzieller Unterstüzung durch das Deutsche Reich ein zweite Expedition, auf der er mit dem Status eines "wissenschaftlichen Beraters" der deutschen Gesandtschaft vierzehn der achtzehn altchinesischen Provinzen bereiste und auf der er das Material für seine späteren Veröffentlichungen sammelte. Von 1933 bis 1937 weilte Ernst Boerschmann zum dritten Mal in China; auch von dieser Reise brachte er zahlreiche Unterlagen mit.
Seit 1940 war er Lehrbeauftragter an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin, deren Sinologischen Seminar er ein Forschungsinistitut anschließen wollte. Er starb 1949 in Bad Pymont, wohin er seinen Wohnsitz verlegt hatte.
Sein Sohn Horst schrieb am 07.12. 50 an Dr. Karl Bünger, Tübingen, über den Verbleib des Nachlasses: "Die Sammlung meines Vaters haben wir nach langem Überlegen erst einmal aufgeteilt: Der sinologische, geschichtliche und völkerkundliche wie geographische Teil seiner Sammlung ist nach München als Leihgabe gekommen, der kunstgeschichtliche wie architektonische Teil nach Köln zu Dr. Speiser, gleichfalls als Leihgabe. Wir versprechen uns davon eine allseitige Auswertung des Materials. Manuskripte und Bilder befinden sich nebst den Werken meines Vaters noch hier bei mir. Darunter befindet sich der II. Teil Pagoden (ungedruckt) und ein weiterer III. Teil zu 3/4 fertiggestellt, aber als Zusammenfassung der wichtigste." (veröffentlicht von H. Walravens)
Der Kölner Teil gelangte im Zuge der Auflösung der Ostasien-Abteilung des Kunsthistorischen Instituts mit deren Buchbeständen in die Universitäts- und Stadtbibliothek und wurde von dort an das Universitätsarchiv abgegeben. Er wird hier als Bestand "606/II - China-Forschungsinstitut Boerschmann" verwahrt und derzeit erschlossen. Diese gestaltet sich jedoch schwierig.
Das Universitätsarchiv konnte bereits mit Hilfe des Rektorates im Antiquariatshandel mehrere Manuskripte und Bücher Boerschmanns erwerben, die zu einem Sammlungsbestand "Zug. 711 - Boerschmanniana" vereinigt werden; dieser Bestand soll nach Möglichkeit weiter ausgebaut werden.
Das aktuelle Interesse an Boerschmann ist stark wachsend: Im Herbst 2008 zeigte das Museum für Asiatische Kunst der Stiftung Preußischer Kulturbesitz als Ergebnis eines studentischen Projektes Teile der 1912 von Boerschmann veranstalteten China-Ausstellung im Königlichen Kunstgewerbemuseum Berlin. Einige Bilder aus dieser Ausstellung finden sich auch im Kölner Teil. Ein weiteres Forschungsprojekt: "Die Bedeutung von Ernst Boerschmann im Kontext des Kulturtransfers: Rezeption und Wirkung seiner Forschung über traditionelle chinesische Architektur zwischen 1902 und 1949" ist an der Habitat Unit des Instituts für Architektur der Fakultät VI an der TU Berlin angesiedelt.
Neufund im Kunsthistorischen Institut (September 2009)
Am 29. September 2009 wurden bei einer Begehung des Institutskellers am ehemaligen Standort der aufgelösten Ostasaien-Abteilung größere Mengen großformatiger Karten aus dem "China-Forschungsinstitut" Ernst Boerschmanns wiederentdeckt, die nach dem maschinenschriftlichen Verzeichnis von 1950 (Zugang 606/31) im Sinologschen Institut in München zu vermuten gewesen wären.
Daß sie mit dem übrigen wissenschaftlichen Nachlaß nach Köln gelangten, war bislang völlig unbekannt. Die Karten und Pläne wurden in das Universitätsarchiv überführt und werden dort mit den übrigen Unterlagen verzeichnet.